Dienstag, 13. November 2012

Drescherboom, seine Auswirkungen und Hintergründe


Gestern sind wir weitere 100km nach Süden nach Coonamble gereist, da in Walgett derzeit nach offiziellen Angaben 200 Drescher von Lohnunternehmern auf Arbeit warten und somit die Chancen auf einen gut bezahlten Job gering sind.

Doch erstmal an die Tankstelle - bei 995$ kriegt man keinen Sprit mehr :)


Viele Lohnunternehmer sind in Verbänden und Vermittlungsorganisationen wie der AGHA (Australian Grain Harvest Association) organisiert, über die sie immer Live über Jobangebote informiert werden. Im Vergleich zu vergangenen Jahren sind in diesem Jahr die Kulturen hier unten etwas schwächer als üblich, da es kalt war und nicht viel geregnet hat. Hinzu kommt, dass im letzten Jahr viele Farmer sich eigene gebrauchte Drescher gekauft haben, da die Lohnunternehmer sie während der Flut im Stich gelassen haben. Im genaueren sah das so aus, dass durch die große Flut 2011 die Erträge in ganz Central Queensland und New South Wales dermaßen hoch waren, dass die Ernte nur langsam voran ging. Weiterhin waren viele Böden noch sehr nass waren und sich somit viele Drescher öfters mal Festgefahren haben - das verlangsamt die Sache weiterhin.(John erzählte uns, dass letztes Jahr 2 Drescher zusammen im Schnitt 70 ha am Tag gemacht haben) So standen die Bauern hier alleine da und konnten ihre Ernte nur noch verfüttern oder teilweise gar nicht ernten, da sie zusammengebrochen ist.

Nun haben sich die Farmer vor Frust eigene Drescher gekauft und es droht derzeit auch kein Unwetter, welches die Qualität der Kulturen bedrohen könnte. Die Folge ist, dass sich die Lohnunternehmer hier stapeln und auf Jobs warten. Da unser Campingplatz direkt an der Straße liegt, konnten wir gut beobachten wie viele es wirklich sind. Ohne Übertreibung kann man sagen, dass rund jede Stunde eine Kolonne an uns vorbei gezogen ist. Somit ist es hier also auch nicht viel besser - neben uns campen übrigens 2 weitere Lohnunternehmer. 

Am Abend kam einer der Lohnunternehmer (Pete) zu uns und wir tranken das ein oder andere Bier zusammen. Pete hat 2 Drescher (STS9770 BJ2011; STS9670 ohne Häcksler BJ2010) und ist ein Abenteurer. Er hat keine Farm und keinen richtigen Wohnort. Er fährt während der Saison mit seinen Dreschern rum und außerhalb der Saison ist er Cottonpflückerfahrer. John und er haben sich, zu unseren Gunsten, sehr Detailreich über Zahlen und Fakten unterhalten, die ich im Folgenden mal zusammengefasst habe. 

Die normalen Preise für den Drusch liegen ohne Sprit (dir wird in der Regel vom Farmer gestellt) beim Weizen zwischen 42-46$ (bis 2,5 t/ha Ertrag - Aufschlag bei höheren Erträgen) und 58$ bei Chickpeas (bis 1,5 t/ha Ertrag Aufschlag bei höheren Erträgen).  Manche Dreschen auch umsonst, wenn sie das Stroh dafür bekommen. Dies erfolgt in der Regel mit Strippern. Doch da die Größe und die Kosten der Maschinen über die Jahre extrem zugenommen hat, sind nicht nur die Lohnunternehmer mit größeren Kapazitäten auf dem Markt vorhanden, sondern auch Farmer die ihre Drescher zu Hause nicht mehr auslasten können und den ein oder anderen Job vor und nach ihrer eigenen Saison mitnehmen. Die Folge ist, dass die Lohnunternehmer vorwiegend schneller fahren und länger fahren. 

John hat uns eine eMail gezeigt, in der die Rede von eine Lohnunternehmer war, der in 4 Tagen mit 3 John Deere Dreschern 7000 acre (und kein schlechter Ertrag), das sind 2834 ha und 236 ha pro Drescher und Tag, gedroschen hat. Die John Deere sind bis 18 km/h gefahren. Das Problem war nur, dass sie in innerhalb von 3 Tagen 2 große MacDon Schneidwerke kaputt gefahren haben. In dieser Region hier  stehen relativ viele Bäume in den Feldern, um den Tieren Schatten zu spenden, wenn sie eine Futterpflanze angebaut haben oder den Aufwuchs wegfressen lassen - was hier üblich ist. Die Schneidwerke sind beide Nachts im dichten Staub an Bäumen hängengeblieben - mal sehen ob ich die Bilder bekomme. (Es gibt übrigens ein Youtube Video eines Claas mit 61 Fuß Schneidwerk: http://youtube.com/watch?V=7eKXrc0MGns )

Des Weiteren versuchen viele es mit Preisdumping und so gehen manche Lohnunternehmer bis zu 36$ pro ha im Weizen runter, nur um ihre Kosten decken zu können - damit wird aber nichts mehr verdient. (John nimmt solche Jobs nicht an, da seine Header nicht auf Kredit  oder leasing laufen) An dieser Stelle muss man dazu sagen, dass viele Drescher, auch neue, hier ohne Häcksler fahren. Diese haben nur 2 aktive Radialverteiler hinter den Sieben und wenn sie einen Häcksler haben, diese mit gepanzerten, nennen wir sie mal Eisenblöcke statt Messer, ausgestattet sind und sie so etwas wie Gegenschneiden noch nie gehört haben. Doch Pete sagte, dass das nicht viele Farmer stört .... 

Ein anderes Problem sind die Löhne, die durch die Minen hier extrem gestiegen sind. Selbst John Deere laufen der Reihe nach die gut ausgebildeten Mechaniker weg, da sie die hohen Minenlöhne von DURCHSCHNITTLICH 140.000$ Jahresgehalt (48% ist Spitzensteuersatz bei über 100.000$ Jahresgehalt; Mehrwertsteuer derzeit 10%) nicht zahlen können. Deshalb hatten wir wahrscheinlich auch so eine Blindschleiche an unserem Drescher, die übrigens der 2. Manager sein soll. Wie schon einmal in einem anderen Blogeintrag erwähnt, verdient schon ein Straßenarbeiter 36$ pro Stunde. Somit sind die Lohnunternehmer auf Rentner, Nebenjobler und natürlich auf uns, die Work and Holiday Jungs aus Übersee, angewiesen. Dabei können wir uns mit unserem Lohn nicht beschweren, ich hatte Kontakt mit einer anderen Farm, die auch in der TopAgrar Werbung gemacht hat und nur 16$ Basis geboten hat, ohne Ausgleich bei Regentagen. 

Des Weiteren fangen die größeren Farmer an sich mehrere Drescher auf einmal zu bestellen. Alle Lohnunternehmer fahren dann, in der Erwartung einen guten Job bekommen zu haben, hin und sehen, dass noch 5 andere da sind. Wir hörten von einem Farmer der sich 25 Lohnunternehmer auf einmal zu holte und nicht für jeden ein eigenes Feld hat! Die Folge ist, dass alle fahren wie die Sau und es im Nachhinein bei der Abrechnung immer Ärger gibt. So sagt der Farmer dann z.B. ich habe hier 10.000 ha und zahle exakt 600.000$, macht euch aus, wer wie viel gedroschen hat. Mit den GPS Daten kann man auch nicht viel anfangen, da 30% gar keines haben, 69% nur SF1 haben und 100% die Kiste nicht auf die exakte Breite der Schneidwerke einstellen. Mal abgesehen von der Tatsache, dass man mit 40 km/h und heruntergelassenem Schneidwerk auch mal über den Block eines anderen fahren kann. John nimmt auch solche Jobs nur sehr ungern an, kommt aber nicht immer drum herum.

Apropos Abrechnung, ich war sehr erstaunt, wie das System hier funktioniert. Es werden hier nur sehr selten, oder besser gesagt nie, schriftliche Verträge geschlossen. Ein Wort ist ein Wort, und so verlassen sich die Lohnunternehmer wie John auch auf die Aussagen der Farmer über die Hektaranzahl. Ich erzählte John, dass es ein leichtes ist mit einem JD Autotrac System ein Feld zu vermessen, doch er wollte davon nichts hören. Er erzählte mir er hätte ein Handheld Gerät mit dem er im Auto nur um den Schlag fahren müsste, aber er macht so etwas nicht. An dieser Stelle ist zu sagen, dass die Zahlungsmoral hier auch nicht so besonders ist, so sind schon etliche Lohnunternehmer pleite gegangen, nur weil sie kein Geld bekamen. 

Bei der ganzen Rechnung darf man natürlich auch die Nebenkosten nicht außer Acht lassen. So sind die meisten Lohnunternehmer mit Wohnwagen auf Campingplätzen untergebracht, müssten ständig eine riesige Auswahl an Ersatzteilen und Werkzeugen in ihrer Werkstattpickups transportieren. Jeder Drescher über 3,7m braucht ein Begleitfahrzeug, welches voraus fährt und keinen Anhänger haben darf (also kein Wohnwagen hinter hängen). (Pete‘s 9770STS hat übrigens 600er Reifen drauf mit denen er darunter ist - schon putzig) Hinzu kommt, dass viele noch einen Anhänger mit einem großen Kompressor haben. Außerdem sind die Anschaffungskosten hier um einiges höher, vor allem für Gebrauchtmaschinen, da diese normalerweise bis zum total zerfall gefahren werden. Üblicherweise werden die Schneidwerke auch bis zu 10 Jahre alt. John‘s zwei 42 Fuss Honeybee‘s sind 8 und 9 Jahre alt und haben an der Rückwand Rostlöcher, dass man die halbe Hand durchstecken kann, doch diese werden zugeschweißt und fertig. Nur die Drescher werden bei John aller 3 Jahre mit rund 5000 h (das sind gut 2500 Trommelstunden) getauscht. John‘s STS haben übrigens eine Reisausstattung, bei der wohl alles wesentlich robuster ausgeführt ist und mehr Edelstahl verbaut wurde.

Nur mal am Rande erwähnt, ich habe vor einer Stunde ein Farmmagazin durchgeblättert und bin auf die Gebrauchtmaschinenseiten gestoßen auf der ziemlich viele John Deere Traktoren waren. Ein durchschnittlicher 8520 (es waren über 10 Angebote) BJ2003-2004 (295hp) mit rund 5000 h kostet hier je nach Ausstattung 132.000$-155.000$ (106.000-124.000 EURO)



Heute hat sich übrigens ein Drescher auf der anderen Straßenseite mit seiner Schnecke im Baum verkeilt .... das kommt davon, dass die alle so geizig sind und sich keinen Klappmechanismus kaufen. Bei den üblichen Schneidwerkbreiten ist der ärger da natürlich vorprogrammiert.



Übrigens hat Pete, der uns gerade einmal 3h kannte, angeheuert ihn mit seinem Jeep zu Folgen und ihn zurück zum Campingplatz zu bringen, damit er seinen Caravan nachholen kann. Er ist jetzt schon eine Woche in Coonamble gewesen und hat keinen Job abbekommen. Schon Wahnsinn wie locker die Leute hier sind und einem Vertrauen entgegenbringen.

kleine Fielbin



EDIT 14.11.2012: frisch eingetroffen - das kaputte MacDon

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